Jahreslosung 2016 – Gott spricht: Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet

Was trösten und getröstet werden heißt, hat jeder von uns schon erfahren, bevor er das Wort kannte. Trösten – wie machen gute Mütter das? Kabarettist und TV-Moderator Eckart von Hirschhausen erzählt von einem blutig aufgeschürften Knie: „Wissenschaftsgläubige Mütter rufen nach Tabletten. Abergläubische rufen nach Arnikakügelchen. Meine Mutter rief: ‚Guck mal, da fliegt gerade das Aua aus dem Fenster!‘“

Die erste Wirkkraft eines Tröstens heißt Anwesenheit. Da sein. Nahe sein. Ganz bei einem Menschen sein. Trösten heißt, einen Menschen bedürftig sein zu lassen, ihn weinen zu lassen, ihn kleiner sein zu lassen, als er ist.

Zweite Wirkkraft: Zum Trösten musst du andere Menschen an dich heranlassen. Wenn es am Grab heißt „Von Beileidsbekundungen bitte absehen“, dann kann da kein Trost wachsen. Für einen allein ist das Leben immer zu schwer.
Aber Trost ist kein Spezialthema für die frü-he Kindheit und dann erst wieder beim Sterben oder in der Trauer. „Wie einen seine Mutter tröstet“ – was hat es mit diesem „einen“ auf sich? Im Urtext der Bibel steht hier das Wort „Mann“. Erwachsener Mann! Auch der kann also Trost nötig haben. Und die erwachsene Frau nicht weniger. Mit dem Beruf, der einen wundreibt. Mit der Leidenschaft, aus der einer nicht herauskommt. Mit der Last eines Fehlers, den einer sich nicht verzeiht. Oder mit dem Alleinsein, aus dem einer kein Entkommen sieht.

Aber heranlassen an dich musst du schon, wenn ein anderer dich trösten soll. Und Gott genauso. Ihn heranlassen an dich, das musst du schon. Da sein. Nahe sein. Ganz nah bei dir sein, das ist auch seine Wirkkraft. In seiner Nähe darfst du bedürftig sein. Bei ihm darfst du weinen. Auch kleiner sein, als du in Wirklichkeit bist. Vielleicht wird das Aua nicht gleich aus dem Fenster fliegen, du bist ja auch kein Kind mehr. Aber du weißt: Für einen allein ist das Leben immer zu schwer.

Dieter Rathing,
Landessuperintendent
für den Sprengel Lüneburg


2016_01_Jan

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